Das erste Mail von Daniel und Nico war ein Hilferuf: Die beiden wollten Ihren Youtube-Kanal im Besten Sinne der „Creative Content Creators“ aufbauen und ihr Interviewformat vom Cockpit eines Flugzeuges in das Cockpit eines e-Flugzeuges bringen! Zeitgemäß klimaneutral und praktisch lärmfrei. Um dem Shitstorm in Form von orangener Farbe und an das Fahrwerk geklebten Personen bei der zu erwarteten Reichweite des Formates zuvorzukommen.

Nur konnte ihnen für die Videoproduktionen niemand ein Flugzeug zur Verfügung stellen. Dabei waren die Gäste, allesamt „Celebrities, Stars & Sternchen aus Film Funk und Fernsehen“ schon gebucht und die Sponsoren bereit das Unternehmen zu finanzieren.

Es gab in ganz Deutschland tatsächlich niemanden, der das e-Flugzeug zur Verfügung stellen konnte. Verrückt, dabei stehen inzwischen einige rum. Aber die stehen tatsächlich nur rum…

So habe ich meine guten Kontakte zur AlpinAirPlanes, dem Leasinggeber für die e-Flugzeugflotte in der Schweiz genutzt und nach dem Elektro-Weltrekord-Flug von 2020 das nächste verrückte Projekt vorgeschlagen: Wie wäre es, wenn wir eine Velis Elektro aus der Schweizer Flotte für einige Zeit nach Berlin, Deutschland ausleihen würden?

Neben der logistischen Challenge das Flugzeug womöglich fliegend (30-45 min / ~45nm Reichweite) bis nach Berlin zu bringen, waren noch eine Reihe zolltechnischer Themen zu klären. So spät im Jahr, mitten im Winter, ist das Flugwetter auch nicht sonderlich VFR-freundlich und so blieb eigentlich nur der Transport im Hänger, was jedoch auch einen eingewiesenen Mechaniker vor Ort benötigt, um den Flieger wieder flugbereit aufzubauen.

Aber wo ein Wille da ein Weg und nach wochenlangen hin und her, vertraglichen-, bundesamtlichen- und finanziellen Fragen die zu klären waren, war es endlich soweit: HB-SYM konnte ihre ~1000km lange Reise im Hänger vom „L’Aerodrome Regional de la Ville et du Canton de Fribourg“ quer durch Deutschland nach Berlin-Strausberg antreten.

Wie hat Daniel so schön in der Phase der maximalen Frustration und Stagnation (Zoll war die letzte Hürde, die schwer zu nehmen war) gesagt, als er sich selbst ins Auto gesetzt hat, um in der Schweiz vor Ort die offenen Punkte zu klären:

Manchmal muss man sich selbst in Bewegung setzen, um etwas zu bewegen.

Daniel Möck

Weitere Verzögerungen hätte das Projekt nicht ertragen, die ersten Gäste waren geplant, die Sponsoren ungeduldig, das Wetter tendenziell schlechter werdend und die Tage noch kürzer. Es musste jetzt dringend was passieren sonst wäre das gesamte Projekt geplatzt. Mit Daniel und Nico, den beiden Brüdern vom Youtube Channel „abgehoben“ vor Ort, waren die offenen Fragen doch noch zu klären und so konnten wir dann zu dritt im Tesla Model 3 gemeinsam nach Berlin fahren und auf die Ankunft des Flugzeuges im Hänger warten. (Zürich-Berlin, 2200 Uhr bis 0800 Uhr, vollelektrisch im M3. Alles machbar aber war doch ein wilder Roadtrip)

https://www.youtube.com/@abgehobeninterviewsimflugz4698

Das Projekt in der Tagesschau

Die ersten Medien waren auch vor Ort und der Beitrag ist sogar in der Tagesschau erschienen: Es ist doch eigentlich verrückt, wie ein so kleines Flugzeug solche Aufmerksamkeit erregen kann. Aber dabei vergesse ich selber oft, wie früh wir in der Entwicklung der e-Mobilität in der Luftfahrt noch stehen, wie geradezu verwöhnt wir im Automobilsektor mit alltagstauglichen Produkten und Ladeinfrastruktur schon sind.

Ablehnung und Unwissenheit

Der Flieger steht nun im Hangar der Aerotours auf dem Flugplatz Strausberg, in der geheizten Werkstatt-Halle. In den Gesprächen mit den Mechanikern und den Büro-Mitarbeitern war die gesamte Mischung von Ablehnung, Unwissenheit aber am Schluss verhaltende Neugierde zu bemerken, auch hier ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, aber das kenne ich ja seit Jahren. Ich bin mir sicher, Otto Lilienthal, die Gebrüder Wright und alle anderen Innovatoren der Luftfahrtgeschichte wahrscheinlich auch, wurden als „verrückt“ abgestempelt. Heute fliegen wir alle wie selbstverständlich in die Ferien. Wir vergessen oft, wie sehr die belächelt worden sein müssen. Vor allem vergessen wir, das sich Welt sich durch Ablehnung und Verneinung nicht weiterentwickelt.

„Alle die wunderbaren Technologien entwickeln sich nicht von alleine weiter. Es braucht immer die Innovatoren, die neues ausprobieren und den Status Quo in Frage stellen.“

Morell Westermann

Unter den skeptischen Blicken der Flugzeugmechaniker, Fluglehrer und einzelnen Interessierten haben wir nach Briefing und Preflight-Check den Flieger aus der Halle in den Schnee gerollt. Die Medien wollten noch einige Ground Operations und wann hat man im Cockpit, auf dem Taxiway rollend, schon die Gelegenheit, einer Drohne hinterherzufahren, die vor dem drehenden Propeller fliegt… Nunja, die sensationellen Aufnahmen mit sich in der tiefstehenden Sonne spiegelnde Tragflächen im Schnee sind es wert gewesen. Wenn dann die Episode im Youtube publiziert wird, haben die Zuschauer nicht die leiseste Ahnung, welcher Aufwand alleine hinter der Einstellung steht: Tower, Ground-OPS, Safety-Chef, alle involviert, Drone-Operator mit kommerzieller Fernpiloten-Lizenz, Genehmigung und Sicherheitseinweisung. Flugplan der Drohne, Fahrweg des Flugzeuges, alles abgestimmt. Kontinuierlicher Funkkontakt mit Tower und Drone-Spotter.

Das wir dabei die mühsam in den Akku geheizten Grad-Celsius wieder Grad-für-Grad verloren haben, egal. Solange im Grünen Bereich, können wir starten…

Fliegen bevor der Akku wieder kalt wird

Meinen ersten Flug mit Daniel konnte ich dann sogar bei allerbestem Wetter machen! Daniel war hochkonzentriert und ich glaube es war, auch wenn ich kein Fluglehrer bin hilfreich, mich mit mehr als 100h auf der Velis Electro als Co-Cockpit zu haben, um gemeinsam den Überblick zu behalten und am Schluss den eigentlichen Flug auch noch professionell durchzuführen. Nebenbei haben wir das erste Interview im Cockpit für #abgehoben produziert. Die Pilot-Piloten-Folge sozusagen.

Wir sind nach den ersten Videoaufnahmen auf dem Vorfeld Richtung Osten, nach Neuhardenberg geflogen. Der Flugplatz mit einer der grössten PV-Anlagen in Deutschland. Das Foto hier aus dem Sommer gibt einen Eindruck der Dimension, wie 145 MWp auf 240ha aussehen:

Das PV-Projekt wurde 2012 in Rekordzeit aufgebaut und in nur fünf Wochen von ca. 2.000 Monteuren aufgebaut. Unfassbar, was möglich ist, wenn man will. Die Anlage hat sogar einen Wikipedia Artikel.

Jetzt bietet die Anlage natürlich ein hervorragendes Ausflugsziel für Daniel in seinem e-Flugzeug, um seinen Gästen eindrucksvoll zu zeigen, wo der Strom zu fliegen in Zukunft herkommt.

Die erste Landung auf dem BER hoffe ich natürlich mit ihm gemeinsam realisieren zu können, 3 Jahre nachdem ich das in Aussicht gestellt hatte und dafür sogar einen Ladeport-Award erhalten habe. Nicht das dafür so einen TikToker mit 50 Millionen Followern nimmt, oder eines dieser Reichweitenstarken Instagram Models und Musikerinnern… 🙂

Bei seinem geplanten Gästen aus Musik, Politik und Gesellschaft bin ich mir sicher, werden wir spannende Interviews aus dem Cockpit erleben dürfen und dabei ganz nebenbei noch die Zukunft der Luftfahrt etwas voranbringen!

Bei 50% State of Charge war der Rückweg angesagt, +200-20° auf dem Kompass im Kopf gerechnet und direkt in die tiefstehende Sonne gedreht. Landschaft ohne Relief weiss-in-weiss. Thjoah. Wo ist der Flugplatz. Naja, die Richtung stimmt fürs erste und bis das Garmin die pinke Linie nach Strausberg gezeichnet hat, habe ich die Halle auch schon wieder gesehen. Soooo weit fliegt ein e-Flugzeug dann doch wieder nicht. Man muss immer das positive sehen.

In Platznähe hatten wir dann noch Energie für einen Touch-n-Go und haben danach zu einer fast perfekten Landung angesetzt. Wir wollten den Kameras ja was bieten.

Daniel und Nico – es war mir eine grosse Ehre, durfte ich euch Unterstützen – ich wünsche euch mit dem HB-Registrierten Flieger mit Schweizer Hoheitszeichen am Heck „Always Happy Landings“! 

Wer Daniel direkt erreichen möchte: Seine Videoproduktionsfirma x-Ray-Productions ist ein guter Startpunkt

Anbei die Bildergalerie vom Tag der Ankunft des Flugzeuges