Bei dem Wetter?

Autofahrer habe es da einfacher: Licht und Scheibenwischer an, Geschwindigkeit der Situation anpassen und ab dafür. Obwohl Kleinflugzeuge keinen Scheibenwischer haben, ist es grundsätzlich möglich, durch Regen zu fliegen, solange die Sicht ausreichend ist. Dennoch ist für einen sicheren Flug mit Kleinflugzeugen der wichtigste Faktor das Wetter. Außer durch die Wahl der Route und den Zeitpunkt des Fluges, sind die meteorologischen Bedingungen nicht zu beeinflussen. Und genau diese beiden Variablen – Zeitpunkt als auch Route – sind auf der e-Flight Challenge 2023 mehr oder weniger festgelegt. Dienstag 29.08.2023, mit Sonnenaufgang 06:33 Uhr, soll es losgehen.

So stellt sich zwei Tage vor Abflug die Frage: Können wir überhaupt fliegen?

Kurze Antwort: Es bleibt spannend.

Lange Antwort: Schauen wir mal in die Wettervorhersage.

Wir fliegen VFR. „Visual Flight Rules“, Sichtflug. Neben den gesetzlichen VFR-Minima, die z.B. Wolkenabstände und Minimum-Flugsichten definieren, gibt es noch die persönlichen Grenzen, die man seinen Fähigkeiten entsprechend setzen muss. Natürlich gehören in diese Planungen auch die Eigenschaften und Zulassung des Fluggerätes, die Flugleistungen und Instrumentierung dazu.

Je kürzer der Vorhersagezeitraum und regionaler die Betrachtung, desto genauer sind die Wettervorhersagen. 48h-Vorhersagen geben schon einen Trend, 24h vorher kann man zuverlässige Vorhersagen annehmen. Also schauen wir uns das mal an:

Vom Grossen ins Kleine

Beim Piloten-Meteo-Briefing geht’s „vom Grossen ins Kleine“. Der erste Blick richtet sich also auf die Grosswetterlage in Europa, die Druckverteilung, Fronten und Windsituation, welche einen Einfluss auf die Zuggeschwindigkeit der Systeme hat. Schauen wir uns also erst die Wetterkarte von heute und dann die +48h Vorhersagen für Dienstag Nacht, 00:00 Uhr an.

Wetterlage heute, 27.08.2023, 14:00 Uhr

Allgemeine Lage, aktualisiert am Sonntag, 27. August 2023, 09:30 Uhr

Die Schweiz liegt auf der Vorderseite einer umfangreichen Tiefdruckzone die von der Nordsee bis nach Spanien reicht. Mit einer starken südwestlichen Höhenströmung wird sehr feuchte Mittelmeerluft zum Alpenraum geführt. Nördlich der Alpen sickert in den unteren Schichten kühlere Luft ein. In der Nacht auf Montag bildet sich über dem Golf von Genua ein markantes Tief. Dadurch wird der Zustrom von sehr feuchter Mittelmeerluft zur Schweiz bis am Dienstag noch aufrecht erhalten.

https://www.meteoschweiz.admin.ch/

Nun gut, das könnte man auch mit einem Blick aus dem Fenster bestätigen: Es regnet. Sogar ziemlich viel. Die Wolken hängen tief. Sogar ziemlich tief. Aber wir fliegen ja nicht heute, sondern am Dienstag früh. Was sagt denn der Fussgänger-Wetterbericht für den Alpenraum? Memmingen ist noch nah genug an den Alpen, das dieser, von Meteo Schweiz, hervorragende Wetterbericht einen weiteren Anhaltspunkt liefert:

Dienstag

Stark bewölkt und häufig Niederschlag, am Alpennordhang anhaltend und teils ergiebig. Schneefallgrenze zwischen 1800 und 2200 Metern. In der zweiten Tageshälfte im Flachland allmählich trocken, in der Nacht auch in den Alpen nachlassender Niederschlag. In den Niederungen am Morgen um 10 Grad, am Nachmittag 12 bis 16 Grad. In den Bergen mässiger Nord- bis Nordostwind, im Tagesverlauf nachlassend. Nullgradgrenze um 2400 Meter. Berge in Wolken. In den Alpen oberhalb von rund 2500 Metern 10 bis 20 cm, am Alpennordhang teils bis 30 cm Neuschnee.

https://www.meteoschweiz.admin.ch/

Nunja, das klingt selbst für Fussgänger nicht nach einem gemütlichen Spätsommer-Spaziergang. Aber wir wollen ja fliegen und die die Route Memmingen-Norderney ist der pinkfarbige Strich: Schauen wir uns die Grosswetterlage für Dienstag 29.08.2023 Mitternacht an:

Wir fliegen also vor einer Okklusion, tendenziell in etwas besseres Wetter hinein, jedoch ebenfalls einer Okklusion entgegen. Würde ich jetzt privat einen Flug planen, hätte ich hier die ersten „roten Flaggen“.

Schauen wir also etwas genauer hin, wie sich das Wetter weiter entwickeln soll: Hier die Wetterkarte +12h von der Karte oben: (Das ist Dienstag, 29.08.2023, 14:00 Uhr) Wir werden ca 18:00 auf Norderney ankommen, aber soweit gehen die Karten aber aktuell noch nicht.

Die Front im Süd-Osten scheint uns also auf dem Weg nicht einzuholen, die Front im Nord-Westen wird uns wohl auch nicht erreichen. Wir fliegen also präfrontal (schon wieder „rote Flaggen“), zwischen einem Zwei-Fronten-System. Wobei es über den Tag hinweg tendenziell etwas besser werden wird.

Wer in die Sache mit den Warm- und Kaltfronen, den Okklusionen und ihren Effekten richtig einsteigen möchte, dem sei dieses Dokument vom DWD/DHV empfohlen.

Was sagte denn der Flugwetterbericht für Süddeutschland?

SICHTFLUGWETTER: Am DIENSTAG lassen die Niederschläge im Norden und Nordwesten nach. In den einsetzenden Niederschlagspausen geht der ST in CU über und hebt bis zum Nachmittag auf 3500 FT AMSL an. Dabei bessert sich die Sicht auf 30-60 km.

https://www.flugwetter.de/fw/berichte/3dprog/sued.htm

Na, da lohnt sich das Fortsetzen des Wetterbriefings doch wieder:

Neben den Fronten interessieren uns auch die Wolken, vor allem wie hoch diese sind. Dafür bietet der „GRAMET Autorouter“ (Für alle Piloten die das Tool noch nicht kannten, klickt mal, wirklich gut) eine sehr gute „Schnitt-Darstellung über die Route, als weiteren, groben Anhaltspunkt:

Links ist Memmingen, rechts ist Norderney auf einer kombinierten Zeit- und Distanz-X-Achse. Senkrecht die Flughöhe in Füssen/Druckfläche. Aufliegende Wolken am Morgen, das sieht schon mal nicht so gut aus. Jetzt muss man anerkennen, das dieser Darstellung stark vereinfacht ist und die lokale Situation, noch dazu bei einer 48h Vorhersage wieder anders, oder sagen wir mal hoffentlich besser sein wird. Aber wir haben wieder eine „rote Flagge“. Was positiv ist: Richtung Norden wird das Wetter besser und die angenommene Flughöhe von 4500 ft scheint möglich. (horizontale, pinkfarbige Linie) Immerhin ist der Wind nicht allzustark vorhergesagt. Dafür leicht von vorne…

Neben der reinen Wetterlage muss man sich auch immer die Route und ihr Terrain anschauen – unangenehmerweise haben wir auf dem Leg von Memmingen nach Gelnhausen noch die Schwäbische Alp die mit einigen Windkraftanlagen garniert ist, welche bis auf 3200ft hoch reichen. Weiter Richtung Norden – mal abgesehen von Rhön und Sauerland – spätestens nördlich Oerlinghausen wird es dann flacher und damit auch unkritischer, was die Reliefstruktur betrifft.

Der Vorteil wenn man tief fliegt: Man kommt unter dem Luftraum Stuttgart hindurch… immer das Positive sehen.

Screenshot aus der Skydemon, einer Flugplanungssoftware, die Windkraftanlagen bei Hornberg sind immerhin 3200 ft hoch.

Für ein Meteobriefing vor einem Flug ist das immer noch eine sehr grobe Übersicht. Das Prüfen der aktuellen Flugplatz-Wetterberichte mit Regenradar, Webcam, METAR und Kurzfrist-Vorhersagen wie TAF ergibt 36h vorher (noch) keinen Sinn. Das muss auf ca 12h bis 1h vor Abflug warten. Vom „Grossen ins Kleine“ bedeutet auch, dass man die Gesamtwetterlage für ein paar Tage betrachten kann, die kleinen Details (komme ich über diesen Gebirgszug oder liegen die Wolken da auf?) erst wenige Stunden vorher oder sogar erst aus dem Cockpit heraus beurteilen kann. So bleiben die vielen, schönen und sehr detaillierten Berichts- und Vorhersage-Produkte des pc_met (ja! noch immer eine html-Website!) vom DWD erstmal un-angeklickt:

Fazit

Es wird schwierig bis unmöglich sein, so früh morgens, zum Sonnenaufgang 06.35 Uhr, in Memmingen abzufliegen. Mindestens werden die Wetterbedingungen an den VFR Minima kratzen. Aber dabei hilft der Tower: Wenn IMC (Instrument Meteorlogical Conditions – Instrumentflugwetter) vorherrschen, dann gibt es keine Startfreigabe denn:

„Es ist besser am Boden zu sein und sich zu wünschen, man wäre oben, als oben zu sein und sich zu wünschen, man wäre unten“

Hoffen wir das Beste – bisher sind es ja alles nur Vorhersagen und vielleicht haben wir dieses Mal mehr Glück als in 2020 beim Elektro-Weltrekord-Flug, den wir um einen Tag verschieben mussten, da bei Bestem Willen kein Abflug möglich war. Der Flugplatz war knietief überflutet. So schlimm wird es 2023 nicht werden. Wir sehen uns zum Sunset auf Norderney!